Dienstag, 15. Dezember 2009

Lost im Nebelwald

Am zweiten Adventswochenende haben wir uns nach einer voellig verrueckten und unglaublich wilden Partynacht in Granada nach Ometepe, der Insel mit den zwei Vulkanen aufgemacht. Der Nicaraguasee in dem sie liegt ist riesig und das einzige Gewaesser der Welt in dem es Suesswasserhaie geben soll ( ich hab keinen gesehen). Wir dachten uns, wenn man schonmal auf einer Insel mit zwei Vulkanen ist, sollte man doch zumindest auf einen raufklettern. Gesagt, getan. Nachdem wir fachmaennisch versucht hatten gegenseitig unsere Kraefte ein- und die Hoehe der Vulkane abzuschaetzen, haben wir uns fuer den kleineren, harmloser aussehenden entschieden – den Vulkan Maderas - und eine Tour fuer den naechsten Tag gebucht. Das war der erste Fehler. Obwohl, eigentlich war es der zweite. Die meisten von uns, mich eingeschlossen, hatten aus purer Faulheit, denn Wanderschuhe sind SCHWER, eben diese zu Hause gelassen und wollten nun den Aufstieg in Chucks und aehnlichem Schuhwerk mit abgelaufenem Profil wagen. Der dritte Fehler: dass es sich um einen NEBELwald handelt haben wir zur Kenntnis genommen – mehr nicht. Fehler Nummer Vier: Obwohl es in der Nacht etwas regnete (Achtung Untertreibung) machten wir uns frueh morgens um sechs Uhr frohen Mutes, von unserem 17-jaehrigen Guide angefuehrt, auf den Weg. Die Tour sollte insgesamt sechs Stunden dauern. Nichts leichter als das, dachten wir. Es war ziemlich neblig im Nebelwald (wer haette das gedacht?!). Der Nebel und der Regen vom vorigen Tag hatten die Wege in Rutschbahnen verwandelt. „Weg“ ist hier eigentlich nicht das richtige Wort. Es waren mehr Kletterpfade, teilweise mussten wir zwei Meter in die Tiefe springen oder drei Meter hohe Felswaende hinaufkraxeln. Im Nebel. Mit Chucks.
Ich habe mich noch nie, NIEMALS zuvor so unglaublich... naturverbunden gefuehlt! Ich habe mich von Steinen angreifen und der schlidderigen, matschigen, rotbraunen Vulkanerde austricksen lassen, Nebelwaldbaeume umarmt, mich von einem zum anderen gehangelt um ueberhaupt vorwaerts zu kommen und die Erde gekuesst. Ich habe meine Beine wadentief im Schlamm versenkt und ihm beinahe meine Schuhe geschenkt. Das Tarzan-Jane-Ding mit der Liane hab ich auch probiert, aber sie wollte nicht so recht und ich bin zum ich-weiss-nicht-wievielten-Mal auf meinem Allerwertesten im Matsch gelandet. Der Hoehepunkt der Tour sollte eine wunderschoene Lagune im Vulkankrater sein. Was wir dort vorfanden aehnelte mehr einem nebelverhangenen Weiher, aus dem jederzeit eine Moorleiche haette auftauchen koennen. Auf dem Rueckweg wurde es noch schlimmer, rutschiger, matschiger, Wasser war alle. Auf die Frage: Wann sind wir da?? antwortete der Guide bereits seit zwei Stunden „in einer halben Stunde“. Irgendwann kam der Punkt, an dem ich dachte: Bitte bitte, lass mich zu einem dieser Nebelwaldbaeume werden – ich konnte einfach nicht mehr. Den anderen ging es auch nicht besser und der Guide war schon in Sorge, ob wir ueberhaupt vor Anbruch der Dunkelheit den Dschungel verlassen haben wuerden. Aber dann ist etwas Wunderbares passiert. Zwei Bruellaffen haben mich angebruellt. Und das hat in mir irgendwas ausgeloest, so etwas wie den Ueberlebensmodus nehme ich an. Vielleicht wusste mein Unterbewusstsein schon vorher (der Guide hat es mir erst eine halbe Stunde spaeter erzaehlt), dass Bruellaffen nicht aus reiner Lebenslust bruellen, sondern wenn sie muerrisch sind, weil man ihre Privatssphaere stoert oder weil sie Hunger haben. Ich konnte mich also wieder bewegen und rutschte und kletterte (von gehen kann keine Rede sein) weiter den Berg hinunter. Kurz vor Sonnenuntergang waren wir wieder im Dorf. Statt sechs dauerte die Tour etwa zehn Stunden.
Dieser Bericht soll niemanden von einem Ausflug in den Nebelwald abhalten. Denn es ist schoen im Nebel-urwald-dschungel! Mit den ganzen Geraeuschen um mich herum habe ich mich wie in einem waschechten Tropenhaus gefuehlt.
Wieder zu Hause in Corinto habe ich drei Tage vergeblich versucht ein Treffen mit meinem Tutor, also meinem „Verantwortlichen“ auszumachen. Am Donnerstag ist er dann einfach nicht gekommen, stattdessen bekomme ich einen Anruf um neun Uhr abends: Du musst morgen um acht in Managua sein! Das heisst um vier aufstehen... Vielen Dank fuer die fruehzeitige Benachrichtigung! Von Freitag bis Sonntag war ich also auf einem Seminar vom Movimiento. Den Sinn des Seminars habe ich nicht ganz verstanden. Dafuer sind wir aber viel Taxi gefahren, das ist naemlich immer ein riesiger Spass. Wie Tetris spielen! Man versucht soviele Menschen wie moeglich in ein Auto zu quetschen. Das Maximum an diesem Wochenende waren 10 Personen in einem Taxi (kein Kombi, eine ganz normale Limousine),
aber Ramón, der auf mir drauf sass hat mir stolz erzaehlt, dass sie erst letzte Woche mit 16 Leuten (den Fahrer nicht eingerechnet!) in so einem Ding sassen. Wie das funktionieren soll? Hab ich auch gefragt. Also auf der Rueckbank vier Leute unten, darauf drei sitzend und ganz oben drauf zwei liegend, also bis zur Decke gestapelt. Auf dem Vordersitz drei aufeinander, zwei im Kofferraum und der Letzte auf der Kofferraumablage. Klingt unbequem – ist es auch. Aber so spart man sich das Taxigeld. Auf dem Busfahrt nach Corinto ist noch was Lustiges passiert. Auf einmal hoerten wir einen lauten Knall und ein Teil des Busdaches flog weg! Einfach so :D Ich hab dann die zweistuendige Fahrt dazu genutzt mich zu sonnen. In Corinto ist waehrenddessen allerdings etwas nicht ganz so Lustiges passiert. Mein bester Freund hier wurde Samstagnacht zusammengeschlagen und ausgeraubt. Jetzt sieht er aus wie nach einer boesen Weisheitszahn-OP, ganz verbeult und bunt. Aber die Taeter sitzen inzwischen schon im Gefaengnis. Eigentlich sollte ich Montag und Dienstag ein Zeltlager von den Jugendlichen aus El Realejo begleiten, aber ich bin krank. :( Deswegen habe ich auch soviel Zeit zum Schreiben. Freut euch! :D Und zu guter letzt: ICH VERMISSE WEIHNACHTEN! Bei dem Wetter ist es einfach nicht moeglich in Weihnachtsstimmung zu kommen, es gibt keine Weihnachtsmaerkte, keinen Adventskaffee, keine Weihnachtskekse, keinen Gluehwein, keine Adventskalender, keine Weihnachtslieder (ja, ich vermisse sogar „Last Christmas“!). Zum Trost fahre ich dafuer einige Tage an die Atlantikueste = Karibik! :) Muesst ihr mal googlen: Little Corn Island.
Lasst es euch gutgehen und geniesst die Vorweihnachtszeit!